Crowdworking – Zwei Gesichter und die Folgen für das Arbeitsrecht

– Unsere Serie zum Thema Arbeitsrecht und die Anforderungen von heute und morgen -(Teil III)

 Crowdsourcing und Crowdworking sind neue Arbeitsformen, die sich aufgrund der Digitalisierung der Arbeitswelt entwickeln konnten und bereits in vielen Branchen Anwendung finden.

Ist diese Arbeitsform nur ein momentaner Hype oder wird sie die Arbeitswelt nachhaltig beeinflussen und damit das Arbeitsrecht auf den Kopf stellen?

Der Begriff Crowdsourcing beschreibt das Auslagern von Aufgaben an eine „Menschenmenge“ d.h. eine Internetgemeinde, auf einer Crowdsourcing-Internetplattform. Damit kommen für das Crowdsourcing alle Tätigkeiten und Projekte in Frage, die am PC und mit Hilfe der digitalen Vernetzung bearbeitet werden können.

Beim Crowdworking schreibt ein Unternehmen in der Crowd (meist über Vermittlungsportale) z.B. verschiedene Einzelprojekte aus. Dann können sich Einzelpersonen oder auch kleine Unternehmen darauf bewerben und einen Preis aushandeln. Bearbeitet wird der Auftrag dort, wo sich der Auftragnehmer befindet – dieser muss nicht vor Ort beim Auftraggeber arbeiten.

Diese Arbeitsform ist sowohl positiv wie kritisch zu betrachten. So argumentieren Gewerkschaften, dass Crowdworker einem enormen Konkurrenz- und Preisdruck ausgesetzt sind. Unternehmen sind dagegen begeistert von der digitalen Freiheit, die das Crowdworking bietet. Kann das Arbeitsrecht diese neue Form des Arbeitens noch regeln?

Zentrale Begriffe des Arbeitsrechts müssen wohl neu überdacht werden.

Der Begriff „Betrieb“ verliert an Bedeutung

„Der Betrieb ist ein zentrales Merkmal, an das eine Reihe von wesentlichen Arbeitsrechtsvorschriften anknüpfen.“ [1] Kündigungsschutz sowie das Mitbestimmungsrecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz sind untrennbar damit verbunden. Arbeitsrechtlich problematisch wird es dann, wenn ein Unternehmen ausschließlich Aufträge an die Crowd vergibt und selbst keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt. Ist es dann noch ein Betrieb nach der Definition des Arbeitsrechts? Was heißt das für die Mitbestimmung oder den Kündigungsschutz, wenn die alleinige Verbindung zwischen Arbeitgeber und Crowdworker ein Internetvermittlungsportal ist.

Konsequenzen für Arbeitnehmer

Nach überwiegender Auffassung ist die räumliche Verbindung von Arbeitnehmern und Betriebsmitteln ein Indiz, aber kein betriebskonstituierendes Merkmal. „Für die Annahme eines Betriebs ist jedoch in jedem Fall die Einheit der Organisation zu fordern.“ [1] Ob dies im Falle des Crowdsourcing vorliegt, ist jedoch fraglich. Und das würde für die Crowdworker weder die Gewährleistung des Kündigungsschutzes noch anderer arbeitsrechtlicher Regelungen bedeuten. Daher wäre eine gesetzliche Neuregelung des Betriebsbegriffs für alle Seiten notwendig, um einen arbeitsrechtsfreien Raum zu verhindern.

Für die Crowdworker besteht die Gefahr, sich nicht nur in einen harten und intransparenten Wettbewerb zu begeben, sondern nahezu alle Risiken des Auftragsverhältnisses selbst zu tragen. Die andere Seite der Medaille besteht in freien Arbeitsformen und hoher Selbstbestimmung, zumindest, wenn die Vorgaben des Vertrags diese Freiheit ermöglichen.

Das Arbeitsverhältnis

Wenn sich eine Person einem anderen gegenüber auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags zu unselbstständigen Diensten verpflichtet hat, dann wird ein Arbeitsverhältnis begründet. Inwieweit zwischen Crowdworker und Auftraggeber ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist bedingt durch die persönliche Abhängigkeit des Crowdworkers vom Auftraggeber. Eine persönliche Abhängigkeit ist anzunehmen, wenn der Crowdworker ausschließlich einem Auftraggeber über einen langen Zeitraum hinweg seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und dabei fremdbestimmten Unternehmenszwecken dient sowie den Weisungen des Auftraggebers z.B. in Bezug auf Ort oder Zeit der Arbeitsleistung Folge leistet. Wir möchten an dieser Stelle zudem den Hinweis geben, dass der Auftraggeber stets prüfen sollte, ob bei Crowdworkern eine vermeintliche Scheinselbstständigkeit vorliegt.

Konsequenzen für Arbeitgeber

Sowohl eine Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation als auch eine Weisungsabhängigkeit vom Auftraggeber wird im Rahmen des Crowdworkings kaum vorliegen. Es deutet demnach vieles darauf hin, dass Crowdworker selbstständig tätig sind und daher sämtliche Arbeitnehmerschutzrechte keine Anwendung finden. Es bleibt jedoch das Risiko bestehen, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) einmal für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (Scheinselbstständigkeit) entscheidet. Dies hätte für die Auftraggeber in Bezug auf die Sozialversicherungspflicht für Arbeitnehmer extreme Auswirkungen. „Denn sie hätten für die zurückliegenden vier Jahre Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen und könnten Regress beim Crowdworker bezüglich der Arbeitnehmerbeiträge nur für die zurückliegenden drei Monate nehmen.“ [1].

Ausblick

Die Digitalisierung und Globalisierung der Arbeitswelt nehmen gefühlt täglich zu, dadurch geraten althergebrachte Instrumente an ihre Grenzen. So auch das Arbeitsverhältnis, wie wir es heute definieren. Es ist zu beobachten, dass sich das Standard-Arbeitsverhältnis zunehmend in Konkurrenz zu freien Dienstverhältnissen wiederfindet. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Entwicklung in Zukunft beurteilt, bleibt abzuwarten. Für Auftraggeber wie auch Crowdworker bedeutet diese Situation höchste Aufmerksamkeit bei der Gestaltung des Vertragsverhältnisses.

 

Quelle:

[1] Gimmy, M.-A. (2015): Ein arbeitsrechtsfreier Raum. Human Resources Manager. 10/11 2015.