Gehalt als Ausdruck der Unternehmenskultur – ein Treiber in der agilen Transformation

Gehalt ist ein harter Fakt – aber was hat das mit Unternehmenskultur zu tun? Eine ganze Menge. Die Entwicklung eines neuen Gehaltssystems innerhalb eines agilen Transformationsprozesses so zu gestalten, dass darin eine werteorientierte, auf Sinn und Selbstmanagement basierende Unternehmenskultur sichtbar wird, war unser Ziel in einem Kundenprojekt.  Das Unternehmen befindet sich mitten in einer agilen Transformation, die mit einem Wegfall der Führungsebenen in mehreren Bereichen und der Umorganisation von Teams verbunden war. Neben starken Entwicklungsimpulsen war dies auch mit Unsicherheit und Vertrauensverlust verbunden. Das heikle Thema Gehalt musste mit besonderer Sorgfalt angepackt werden. In der Vergangenheit eingesetzte Personalinstrumente verloren ihre Gültigkeit.

Wie konnten wir hier nun in der Gehaltsgestaltung die Unternehmenskultur, die Werte des Unternehmens zum Ausdruck bringen? Wir nutzten dazu:

  • die Gestaltung der Gehaltskomponenten
  • das Vorgehen im Projekt selbst sowie die Einbindung des Projektes in den laufenden Transformationsprozess
  • die Integration des Gehaltssystems in ein ganzheitliches HR Instrumentarium

Das Ziel: ein marktgerechtes, transparentes sowie einfach handhabbares Gehaltssystem

Das Gehalt sollte nicht den individuellen Wettbewerb der Mitarbeiter/innen um besser bezahlte Positionen fördern und kein Mittel der extrinsischen Motivation sein. Auf Grundlage marktgerechter Gehälter stehen der Sinn der Tätigkeit und das Team im Mittelpunkt.

Die einzelnen Komponenten des Gehaltssystems sollten folgende Werte ausdrücken:Zu berücksichtigende Werte des Gehaltssystems

Wir haben uns entschieden, drei Komponenten so zu kombinieren, dass die persönliche Entwicklung, die stabile Leistung entsprechend der Rolle und die Entwicklung des Beitrags zum Unternehmenserfolg das Gehalt bestimmen.

Die Gehaltskomponente für die Ausübung einer oder mehrerer Rollen ist das Kernstück des Gehaltssystems. Über eine Bewertung der Rollen und festgelegte Faktoren der Laufbahnstufen fließen diese auf objektiver Grundlage und für die Mitarbeiter nachvollziehbar in das Gehalt ein. Der subjektive Faktor, der gerade bei jungen und schnell wachsenden Unternehmen durchaus zu Ungerechtigkeiten in der Gehaltsfestsetzung führen kann, wird hierdurch minimiert und im Fall der Fälle diskutierbar.

Besonderer Ausdruck der wertschätzenden Unternehmenskultur ist sicherlich die individuelle Gehaltskomponente, die durch Ausbildung, Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit bestimmt wird. Hier geht das Unternehmen weit über das Übliche hinaus und erkennt neben gesellschaftlich wirksamen Zeiten wie Wehrdienst, Freiwilligem Sozialen Jahr u. ä. auch Werkstudentenzeiten und nicht relevante oder abgebrochene Ausbildungen als Zeit der Persönlichkeitsentwicklung in Form von Berufserfahrung an.

Zu diesen drei Kernkomponenten kommen mit Zulagen für zusätzliche Rollen, Sonderaufgaben und außergewöhnliche Belastungen bzw. Anforderungen genügend flexible Elemente, die das System gestaltbar machen – und zwar sowohl individuell auf die Mitarbeiter/innen bezogen als auch entsprechend der Unternehmensentwicklung. Eine breite Auswahl an Benefits ergänzt das Ganze.

Das Projekt: Ausdruck und Teil des Transformationsprozesses

Von Anfang an war klar – wir gehen iterativ vor und nehmen uns die Zeit, die nötig ist, um wirklich das passende Gehaltssystem zu schaffen. Angesichts der Ungeduld, die wohl überall entsteht, wenn es ums Geld geht, ein mutiger Schritt, der sich langfristig jedoch bezahlt machen wird.

Im Zuge der Entwicklung des Gehaltssystems wurde die Diskussion und Ausformulierung der Rollen vorangetrieben. Die Teams beschrieben gemeinsam die teilweise neu zugeordneten Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie vor allem Befugnisse und Schnittstellen.

In unserem Projekt wurde mehr als eine Grundlage für die Rollenkomponente des Gehalts erreicht – wir verliehen der bereits laufenden Rollenklärung neue Dynamik und trugen in Rollenworkshops dazu bei, dass alle Rollen in ihren Hauptbestandteilen formuliert sind und jede/r Mitarbeiter/in nun wieder die Klarheit hat, in welchen Rollen sie bzw. er im Zusammenspiel der Unternehmensprozesse wirkt. Waren zu Beginn des Projekts noch skeptische Gesichter an der Tagesordnung, so herrschte am Ende der Rollenfindung Offenheit vor.

Spannend war die lebhafte und tlw. kontroverse Diskussion, auf welche Weise die zunehmende Selbstorganisation und das agile Mindset dabei ihren Ausdruck finden. In allen Rollenbeschreibungen gibt es nun gemeinsam entwickelte Formulierungen zur Mitwirkung an der Teamorganisation und –entwicklung. Die Soft Skills wurden intensiv diskutiert, sodass die in den Anforderungen ausgedrückten überfachlichen Kompetenzen keine leeren Worthülsen bleiben, sondern von allen verstanden werden und in ihren Tätigkeiten  ausgedrückt und entwickelt werden.

Es ist üblich, ausgewählte Mitarbeiter/innen oder den Betriebsrat an der Entwicklung von Gehaltssystemen zu beteiligen. Wir gingen einen Schritt weiter: Die Teams wählten Vertreter/innen, die ihre Kolleg/innen in der Projektgruppe vertreten. Sie hatten den Auftrag, nicht nur mitzuwirken, sondern auch Gestaltungsansätze in die Teams zu tragen, sich Feedback einzuholen und im Gegenzug Anliegen aus den Teams in die Projektgruppe zu bringen. So wurden von Anfang an Grenzen der Umsetzbarkeit ausgelotet sowie zahlreiche Perspektiven aus der Basis einbezogen. Die Bewertung verschiedener Gehaltsfaktoren aus der Mitarbeiterperspektive führte manches Mal zu einer neuen Sicht auf deren Bedeutung für das Gehalt. So wurden beispielsweise Prämien in Teamverantwortung abgewählt, weil hierzu keinerlei Übung vorlag und die Veränderungen die Teams momentan schon sehr forderten. Man brauchte für diese Entwicklung noch mehr Zeit.

Am Anfang öffneten wir die Projektrunden auch für Interessierte, was für eine breite Basis und Diskussion der grundsätzlichen Eckpunkte förderlich, aber auch sehr anstrengend war. Später, als die „technischen“ Themen in den Vordergrund traten, gab es diese Öffnung nicht mehr, weil das Herstellen eines gemeinsamen Wissensstandes für immer wieder neu Hinzukommende zu viel Zeit gekostet hätte. Dafür wurde regelmäßig der Status kommuniziert.

Die Mittel: Ganzheitliches HR Instrumentarium

Neben dem Rollenmodell wurde ein Fachlaufbahnmodell entwickelt, das über alle Rollen hinweg Entwicklungsmöglichkeiten und -wege der Mitarbeiter/innen in ihren Rollen beschreibt. Damit gibt es eine konkrete Orientierung für die Entwicklung der Mitarbeiter/innen in ihren Rollen. Ganz im Sinne der Dynamik in der Unternehmensentwicklung sind der Wechsel zwischen Rollen und die parallele Ausübung verschiedener Rollen vorgesehen. Auch im Rahmen der kontinuierlichen Veränderungen im Unternehmen bedeutet die stabile, den fachlichen und Teamanforderungen entsprechende vollwertige Rollenausübung sehr viel und wird im Advanced Level entsprechend anerkannt.

Der Zug in Richtung der neuen Unternehmenskultur zeigt sich in der qualitativen Beschreibung der Laufbahnstufen. Der Beitrag zur Unternehmensentwicklung, die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen als Mentor/in, die Mitwirkung an Communities und Arbeitsgruppen und bereichsübergreifenden Projekten drückt sich im Laufbahnmodell im Senioren-Level aus.

Im technisch geprägten Umfeld bedeutet es einen spürbaren Lernprozess, der die Mitarbeiter/innen aus der konkret messbaren Leistungsbewertung in qualitativ und fließend beschriebene Kriterien für die Laufbahnstufen führt. Dieses – für einige sicher neue – Nachdenken über die Rollen und deren Ausdrucksform stellt eine Konfrontation mit der Unternehmensentwicklung und der eigenen Positionierung darin, weit über das Fachliche hinaus, dar. Diese Auseinandersetzung weitet den Blick auf das Zusammenwirken der Rollen, eigene Entwicklungsoptionen und die Übernahme von Verantwortung in Selbstorganisation und Unternehmensentwicklung.

Die Rollen selbst bleiben ein dynamisches Element der Organisation und der Mitarbeiterentwicklung. Sie werden regelmäßig entsprechend der Unternehmensentwicklung überarbeitet. Für die Entwicklung und Orientierung der Mitarbeiter/innen liefern sie die Anhaltspunkte für die Einordnung der eigenen Tätigkeit in den Unternehmenszusammenhang, insbesondere in ihrer Überlappung und Vernetzung.

Zusammenfassung

Mit den integrierten HR Instrumenten Rollen- und Laufbahn- sowie Gehaltsmodell wurden zentrale Träger des Entwicklungsprozesses im Unternehmen zusammen mit den Mitarbeiter/innen entwickelt und wirksam gemacht. Die offen formulierten und für die spezifische Ausprägung bei einzelnen Mitarbeiter/innen und Persönlichkeiten übertragbare Beschreibung der Laufbahnstufen, die flexibel einsetzbaren Rollen sowie die transparente und aus der fachlichen und persönlichen Entwicklung der Mitarbeiter/innen ableitbare Gehaltsgestaltung entspricht dem individuellen und spezifischen Anspruch an HR Instrumente in Unternehmen der Wissensarbeit.

Durch das iterative Vorgehen und die Einbettung in die jeweiligen Veränderungsschritte im Unternehmen wurde das Gehaltsprojekt zu einem der Treiber, das zum Übergang zu Selbstorganisation und Agilität sowie zur Findung in sich neu formierenden Teams beitrug.

Unsere Rolle als Berater in Bezug auf das Gehalts- und Laufbahnmodell weitete sich im Verlauf des Projektes zum Wegbegleiter und Unterstützer der Rollenentwicklung, so dass wir tatsächlich ganzheitlich vorgehen und Synergien zwischen den verschiedenen Gestaltungsfeldern nutzen konnten. Der Zusammenhang von Human Ressource Management, Organisationsentwicklung und Veränderung wurde in diesem Prozess für die Mitarbeiter/innen gestaltbar. Die Herausforderung zur eigenverantwortlichen Auseinandersetzung mit der individuellen Positionierung bzgl. der eigenen Rolle und deren Ausübung brachte einen spürbaren Schub in Richtung Mitwirkung und Öffnung bzgl. der „neuen“ Unternehmenskultur, bzgl. Teamorientierung, Transparenz und Mut zu neuen Wegen des Zusammenwirkens im Unternehmen.

Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit unserem Schwesterunternehmen promotus Seffner Obschelp GbR bearbeitet.